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Wiwilli - Freiburg: Ein deutsch-nicaraguanisches Freundschaftsfest in der Ökostation

News vom 18.10.2008

Vor zwanzig Jahren wurde die Freundschaft zwischen Freiburg und der nicaraguanischen Kleinstadt Wiwilí in einer Urkunde bekundet — und seither mit Leben gefüllt

"Ein Beispiel für die Zärtlichkeit der Völker"

Es war an einem Abend im März 2004. Ein Fest auf dem mit Freiburger Unterstützung entstandenen Modell-Bauernhof in Wiwilí. Für die Gäste aus Freiburg, denen Arquimedes Colindres Vasquez klarmacht, was die Städtefreundschaft zwischen der Kleinstadt in Nicaragua und der kleinen Großstadt im Breisgau bedeutet: "Die Freundschaft, die uns verbindet, ist gewachsen auf dem Blut der ermordeten Kämpfer. Und der Kampf, den wir aufgenommen haben, um die Situation der Bevölkerung von Wiwilí zu verbessern, wird weitergehen."

In diesen Tagen nun ist der Vorsitzende des Vereins für die Entwicklung des Kreises Wiwilí (ADEM) mit seiner Stellvertreterin Victoria Moncada zu Gast in Freiburg. Um einen 20. Jahrestag zu feiern. Am 20. Oktober 1988 nämlich unterzeichneten der Freiburger Oberbürgermeister Rolf Böhme und Don Javier Barahona, der alcalde (Bürgermeister) von Wiwilí, die Freundschaftsurkunde. Darin heißt es unter anderem: "Die Bürger von Freiburg im Breisgau, Bundesrepublik Deutschland, und Wiwilí, Nicaragua libre, sind übereingekommen, mit dieser Urkunde ihren aufrichtigen Willen zu bezeugen, ihre über mehrere Jahre gewachsenen freundschaftlichen Beziehungen weiter zu vertiefen."

Es blieb nicht bei dieser Übereinkunft. Während der vergangenen beiden Jahrzehnte haben Menschen den Austausch tatsächlich so verstärkt, dass diese Städtefreundschaft lebendiger scheint als die meisten der Freiburger Städtepartnerschaften. So viele Menschen haben an der Brücke nach Wiwilí gebaut, lange bevor die "Blaue Brücke" im September 2003 zur Wiiwilí-Brücke wurde. Der Freiburger Arzt Albrecht "Tonio" Pflaum war nach der Befreiung Nicaraguas von der Diktatur einer der ersten — Ende April 1983 wurde er von der Contra ermordet. Wie drei Jahre später der Freiburger Berndt Koberstein, der beim Bau der Trinkwasserleitung half. Wie einige Jahre später Don Javier. Und als Ende 1998 der Wirbelsturm "Mitch" große Teile Wiwilís zerstörte, wurden die 600 000 Mark (knapp 300 000 Euro) aus Freiburg zu einer unvergessenen Hilfe.

"Freundschaft bedeutet, dass einer dem anderen hilft, wenn er in Not ist" , sagte Oberbürgermeister Dieter Salomon in jenen Märztagen des Jahres 2004. Tief beeindruckt zeigte er sich damals davon, wie die Menschen in Wiwilí mit Unterstützung aus Freiburg und ADEM ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Seit zwanzig Jahren zahlt die Stadt Freiburg jährlich rund 25 000 Euro. Sie ermöglichen es, zusammen mit Spenden dem "Verein zur Förderung einer Städtepartnerschaft zwischen Freiburg und Wiwilí" (siehe BZ vom 15. Oktober, "Stadtteile" ), Geld der Europäischen Union für etliche Projekte nach Wiwilí zu leiten.

Diese Hilfe zur nachhaltigen Selbsthilfe, ergänzt von Schul-Patenschaften und Bezahlung von Lehrern, hat für Marlu Würmell-Klauss einen hohen Standard erreicht. "Die Stadt Freiburg kann ungeheuer stolz sein auf diese kommunale Außenpolitik" , sagt die Vorsitzende des Wiwilí-Vereins, der gerade seinen 25. Geburtstag feiert. Ob solche Unterstützung nicht auch eine gewisse Abhängigkeit, eine neue Form von Kolonialismus bedeutet? Marlu Würmell-Klauss verneint: "Die Abhängigkeit ist viel älter als unsere Hilfe, die letztlich nur ein Ausgleich ist für die Ausbeutung Nicaraguas in früheren Zeiten." Und eigentlich gehe es ohnehin eher um Solidarität. "Wir haben die gleichen Ziele wie damals nach der sandinistischen Revolution: eine Bürgergesellschaft aufbauen, die Armut bekämpfen, die Gleichberechtigung voranbringen."

Was da schon erreicht wurde, beeindruckt auch Marcel Thimm, den stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Freiburg. "Große Klasse" nennt er diese Aufbauleistung bei der Eröffnung der Ausstellung "25 Jahre gelebte Solidarität" in der Sparkasse. Oder wie es dort Bürgermeisterin Gerda Stuchlik in Anlehnung an von Che Guevara ("Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker" ) ausdrückt: "Wiwilí wohnt in den Herzen der Menschen hier — das ist was ganz Feines."

Und das soll weitergehen. Nach der Trinkwasserversorgung, der Aufforstung und dem Aufbau von Kleingewerbe "steht als nächstes die Vermarktung des nachhaltig Erwirtschafteten an" , erklärt Julia Weckenbrock vom Wiwilí-Verein. Die Begegnungsreisen von Freiburg nach Nicaragua sollen weitergehen — "das verbreitert die Bewusstseinsbasis" . "Und es wäre eine tolle Sache, wenn die Stadt Freiburg auch mal Jugendliche aus Wiwilí einladen würde" , meint Mamrlu Würmell-Klauss. Schließlich heißt es in der Freundschaftsurkunde auch: "Begegnungen auf kultureller Ebene und Kontakte zwischen beiden Gemeinden sollen gefördert und unterstützt werden."

Am 17.Oktober fand im Historischen Kaufhaus ein öffentlicher Festakt zum Jubiläum der Städtefreundschaft statt und am heutigen Abend wird in der Ökostation Freiburg ein Freundschaftsfest für 25 Jahre Solidaritätsarbeit gefeiert.

WIWILí-Infos:

Wiwilí im Nordwesten Nicaraguas wird vom Rio Coco in die Teilorte Jinotega und Nueva Segovia getrennt. Hier leben rund 16 000 Menschen, in den gleichnamigen Kreisen sind es insgesamt 60 000. Etwa 40 Prozent der Bevölkerung können weder lesen noch schreiben. Die Stadt Freiburg unterstützt die Hilfsprojekte in Wiwili seit 1984 mit insgesamt mehr als 600 000 Euro, mindestens ebenso viel haben der Wiwili-Verein und Spenden zusammengebracht. Kontakt: Telefon:0761/476 6009 ; Spendenkonto: 2298 71 756, Postbank Karlsruhe, BLZ 660 100 75.

Foto: Eine Freiburger Gemeinderatsdelegation im März 2004 in jenem Quartier von Wiwilí, das mit Freiburger Hilfe aufgebaut wurde.

Quelle: Badische Zeitung vom Freitag, 17. Oktober 2008, Gerhard M. Kirk