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Der Dohlenkrebs

Dohlenkrebse kommen nur noch sehr selten vor

Zu Besuch bei den Letzten ihrer Art: Im Zartener Becken wurde vor wenigen Jahren eine besonders gefährdete Krebsart entdeckt

OBERRIED/FREIBURG. Die Begeisterung von Regina Biss für Flusskrebse wird verständlich, wenn man weiß, dass sie selbst ein Vorkommen dieser Tiere entdeckt hat. Das war im Sommer 1995. Damals hatte die Biologin im Auftrag des Regierungspräsidiums, bei dem sie heute selbst beschäftigt ist, in Oberried die Tiergesellschaften in der Brugga untersucht. Ihre Arbeit war die Grundlage für ein Gewässerentwicklungskonzept. Dabei wurde die Vermutung widerlegt, dass Steinkrebse in dem Fluss leben, der vom Schauinsland herabkommt und auf der Höhe von Freiburg-Kappel in die Dreisam mündet. Regina Biss hat jedoch Dohlenkrebse gefunden. In Fachkreisen galt das als kleine Sensation, denn die Tiere sind extrem selten.

Und das kam so: Regina Biss hatte zunächst einige Exemplare in der Brugga identifiziert. Das wunderte sie. "Eigentlich hätten die Tiere da gar nicht vorkommen können, denn dieser Fluss fließt viel zu schnell. Dohlenkrebse bevorzugen ruhige Gewässer. Die Panzer der Krebse waren denn auch ziemlich lädiert" , erzählt sie. Bestätigt sah sie letztlich ihren Gedanken, dass die Krebse aus einem Seitenbach eingedriftet waren. Der hat sich dann auch als eigentliche Lebensstätte einer bemerkenswert großen Population herausgestellt.

Es gibt sie dort noch immer, die jüngste Bestandsaufnahme stammt von 2006. Die Oberrieder Dohlenkrebse bilden eins von neun Vorkommen im Zartener Becken und von insgesamt 23 im Oberrheingebiet, wo der Dohlenkrebs seine nordöstliche Verbreitungsgrenze hat. Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es dieses Tier; recht häufig ist es hingegen in Frankreich und England. Neben dem Zartener Becken ist der Bereich Freiamt ein Schwerpunkt. Weitere Vorkommen gibt es am Hochrhein und am südlichen Oberrhein, jüngst erloschen sind wahrscheinlich zwei im Freiburger Mooswald.

Der Dohlenkrebs ist eine von drei Flusskrebsarten, die natürlicherweise in Mitteleuropa vorkommen. Erwachsene Tiere werden bis zu zehn Zentimeter lang, charakteristisch sind kleine Dornen an einer Furche im braunen Nackenpanzer. Sie sind Allesfresser, mögen Algen, aber auch Kleintiere, wobei sie die Nahrung mit ihren Scheren packen und zerkleinern. Die Tiere paaren sich im Herbst, die Larven schlüpfen nach der Winterruhe im darauf folgenden Frühjahr. Der Edelkrebs ist schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgestorben und zwar durch eine Krankheit, die mit importierten Krebsarten ins Land gekommen war. Es laufen Versuche, die Art wieder anzusiedeln.

Im Gegensatz zum Edelkrebs wurde der Dohlenkrebs nie wirtschaftlich genutzt, als natürlicher Feind gilt der Aal. Gefährdet ist die Art in erster Linie, weil ihre Lebensräume rar geworden sind. Die Tiere fühlen sich nur in ruhig fließenden Bächen wohl, deren Ufer dicht bewachsen sind und wo sich durch Baumwurzeln kleine Höhlen gebildet haben, in denen sie sich verstecken können. Sie sind hochempfindlich gegen künstliche, möglicherweise giftige Einträge. "Wir nehmen an, dass der sorglose Umgang mit Agrarchemikalien und die Einleitung von ungereinigten Abwässern bis in die 1960er Jahre die Krebse erheblich dezimiert hat" , erklärt Regina Biss. Und natürlich hatte es Folgen für den Dohlenkrebs wie auch für Fische und andere Wassertiere, dass viele Bäche und Flüsse kanalisiert, verengt oder gar verdolt wurden.

Umgekehrt ist anzunehmen, dass die Plätze, an denen sich der Dohlenkrebs halten konnte, vor hundert und mehr Jahren schon genauso ausgesehen haben wie heute. Die Zoologen sprechen von Reliktstandorten. Weil zwischen denen jedoch keine Verbindung besteht, sind die Krebsvorkommen extrem gefährdet. Schon ein kleines Unglück würde reichen, eine Population auszulöschen.

Nach den Kriterien der europäischen FFH-Richtlinie sind Dohlenkrebse "geschützt" , weshalb die 23 Lebensräume in Südbaden auch gründlich erforscht sind. "Wir müssen sie regelmäßig beobachten, um die Entwicklung dokumentieren zu können und vor allem, um Gefährdungen frühzeitig zu erkennen und dagegen anzugehen" , erklärt Regina Biss. Eine groß angelegte, geschweige denn öffentlichkeitswirksame Kampagne wie beispielsweise für den prominenten Storch gibt es allerdings nicht. Die Lebensstätten der Dohlenkrebse sind Geheimsache und die Maßnahmen finden im Verborgenen statt. "Um nicht Leute auf die Idee zu bringen, nach den Tieren zu suchen" , sagt Regina Biss. Der Reiz des Seltenen übe auf manche Leute eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus.

Es soll jedoch alles unternommen werden, die Vorkommen zu erhalten. Hierzu kooperiert das Regierungspräsidium beispielsweise mit Landwirten, dass Randstreifen entlang der Ufer nicht gedüngt und nicht mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden. Regina Biss freut sich, dass eine solche Vereinbarung jüngst auch zum Schutz der Oberrieder Population zustande gekommen ist. Sie ist verantwortlich für die nach europäischem Recht geschützten Lebensräume an und in Gewässern im ganzen Regierungsbezirk. Die Oberrieder Dohlenkrebse liegen ihr allerdings besonders am Herzen, schließlich war sie es, die die Tiere entdeckt hatte.

Quelle

Badische Zeitung, Silvia Faller, vom 30.08.2008