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Stuttgarter Zeitung: 17.1.2006

Für Jugendbegleiter will das Land nur wenig zahlen

Die Kommunen werfen der Regierung ein falsches Spiel vor

Baden-Württembergs Regierungschef Oettinger verspricht mehr Bildung und Betreuung. Dabei ist er auf die Mithilfe der Kommunen angewiesen. Doch die beschleicht zunehmend das Gefühl, das Land wolle sie über den Tisch ziehen.

Der Jugendbegleiter gehört zum festen Inventar von Günther Oettingers (CDU) Ganztagesschule. Lebenskluge und fachkundige Bürger sollen im Ehrenamt ihre Kenntnisse an die Schüler weitergeben. Denkbar sei vieles: Sportangebote, Erste-Hilfe-Kurse, Theater, Tanz, Chor und vieles andere mehr. Dieser freiwillige Einsatz verdiene auch eine gewisse finanzielle Entschädigung - niedrig genug, um Ehrenamt zu bleiben, aber auch hoch genug, um zum Mittun anzuregen.

Die kommunalen Landesverbände, die auf Initiative Oettingers Anfang November eine Vereinbarung mit der Landesregierung über den Ausbau der schulischen und vorschulischen Betreuung unterschrieben haben, gehen von einem Entschädigungssatz von etwa sieben Euro pro Stunde aus. Sie verweisen auf vergleichbare Richtsätze des Landes, etwa für das bereits laufende Lehrbeauftragtenprogramm an den Schulen. Die Kommunalverbände grenzen sich damit deutlich gegen die Sportverbände ab, die in ersten Modellrechnungen 20 Euro pro Stunde veranschlagt hatten. Genauso verständnislos reagieren die Kommunalverbände aber auch auf jene 1,80 Euro, die zuletzt von der Regierung in die Endfassung eines Eckpunktepapiers geschrieben wurden.

Für Stefan Gläser, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetages, ist das deutlich zu wenig. "Damit kommen wir nicht weit", sagt Gläser. Er hat zusammen mit seinen Kollegen Christian Steger vom Gemeindetag und Eberhard Trumpp vom Landkreistag ein Brief an Oettinger geschrieben, in dem die drei Kommunalverbände "dringend bitten", von den 1,80 Euro Abstand zu nehmen. Mitte Februar wollen der Regierungschef und die Präsidenten der Kommunalverbände eine Rahmenvereinbarung zum Jugendbegleiter unterschreiben. Gläser sagt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt könne er seinem Präsidenten, dem Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner, "eine Signatur der Vereinbarung nicht empfehlen".

Das Jugendbegleiter-Programm ist so konzipiert, dass die Modellschulen in der vierjährigen Projektentwicklungsphase mit Landesgeld ein eigenes Budget einrichten, über das die Schulleitungen in letzter Verantwortung entscheiden und das von den Kommunen verwaltet wird. Eine Aufstockung des Budgets durch die Kommunen wird vom Land gewünscht. Aus dem Kultusministerium verlautet, bei den 1,80 Euro pro Stunde handle es sich lediglich um eine "Rechengröße", die zur Ermittlung des Geldbetrags diene, der den Schulen überwiesen werde.

Doch ob "Rechengröße" oder nicht, 1,80 Euro pro Stunde bleiben 1,80 Euro. Sollte das Land hart bleiben, müssen die Kommunen draufzahlen, sofern sie sich nicht doch noch ganz verweigern. Oder es bleiben an den Eltern höhere Kosten hängen. Das Land hält den Schulen ausdrücklich offen, Betreuungsentgelte zu erheben. Eine Alternative wäre auch, die Zahl der Modellschulen zu reduzieren. Diese Möglichkeit wurde bereits von Vertretern des Kultusministeriums angesprochen. Sie dürfte aber kaum im Interesse von Regierungschef Oettinger sein, der mit dem Ausbau von schulischer und vorschulischer Betreuung in den Wahlkampf geht.

Die Kommunalverbände sind jedenfalls misstrauisch geworden. Einzelne Ministerien wie das Kultusressort, munkelt man in den kommunalen Reihen, versuchten die Absichten Oettingers zu unterlaufen, um den eigenen Etat zu schonen. Schon bei der Ausschreibung des Projekts "Schulreifes Kind" hatte das Kultusministerium dargelegt, Geld für zusätzliche Sachausstattung und Beförderungskosten seien von den Trägern der vorschulischen Bildung aufzubringen. Das stand eindeutig im Widerspruch zur Vereinbarung der Landesregierung mit den Kommunalverbänden. Die Ausschreibungsunterlagen seien inzwischen "angepasst" worden, sagte gestern ein Sprecher des Kultusministeriums.

Quelle

Stuttagrter zeitung vom 17.1.2006, von Reiner Ruf